Imagewandel verkehrt:
Mehr Problemkinder für englische Internate!
Auch in englischen Internaten ist wohl nicht alles so rosig, wie die gewerbsmäßigen Internatswerber und unkritische Medienberichte es glauben machen wollen!
Lesen Sie hierzu den "FOCUS"-Beitrag:
"INTERNAT ALS LETZTE HOFFNUNG"
Weitere Beiträge zum Thema:
- Warum Eltern ihre Kinder in englische Internate schicken (I. Kutter)
- Der Mangel an Disziplin - Was Eltern von englischen Internaten erwarten (P. Giersiepen)
- Internate und Privatschulen - Die bessere Alternative?
- Zwischen Eliteanspruch und Erziehungshilfe - Wie erziehen Internate wirklich?
- So sorgen deutsche Internate für ihren "guten Ruf"!
- Blick hinter die Kulissen (Erfahrungsberichte von Internatsschülern)
Medien-Lüge "Imagewandel"
Recherchen zu einem besonders dreisten Stück PR-Journalismus
Sendung: SWR2 Impuls vom 24.09.2007
Karl-Heinz Heinemann: Warum Internate einen Imagewandel hinter sich haben.
Beitrag anhören:
http://www.podster.de/episode/414990
Zitat aus dem o.g. Beitrag des SWR2:
>''Traditionell hängt uns dieses Klischee an, das Klischee, dass wir Reparaturbetriebe sind, Auffangbecken für Kinder und Jugendliche, die in irgendeiner Weise gescheitert sind, vielleicht auch für dumme, verwöhnte Kinder der Reichen. Das ist ein Klischee. Das mag vielleicht vor drei, vier Jahrzehnten auch mal so zugetroffen haben. Inzwischen gibt es 'nen Imagewandel, und die Eltern sind im Augenblick sehr stark damit beschäftigt, sich nach Alternativen zur - wie s i e meinen - schlechten staatlichen Schule zu suchen'', meint Hartmut Fehrenschild, Internatsberater der Landerziehungsheime, einer Gruppe von 26 reform-pädagogisch orientierten Internaten. Zu ihnen gehören auch die Odenwaldschule und das Internat auf Schloss Salem am Bodensee.<
'Nen Imagewandel hat`s also gegeben. Aha. Rechnen wir doch einmal nach: So in den 70er und 80er Jahren müssten Internate wie die oben erwähnten Deutschen Landerziehungsheime also noch Reparaturbetriebe für verkrachte Schulexistenzen und Sonderschulen für dumme Reiche gewesen sein. Danach dann der behauptete "Imagewandel"...
Irgendwas kann da aber nicht stimmen. Denn was liest man selbst noch in den 1990er Jahren und Anfang des zweiten Jahrtausends in großen deutschen Zeitungen?
Am 5. Juli 1992 etwa berichtet die "Welt am Sonntag" unter der Titelzeile: "Deutsche Internate vom Aussterben bedroht":
> Deutsche Führungskräfte in Wirtschaft, Politik und Verwaltung halten wenig von der Erziehung Jugendlicher in Internaten. [...] Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die unlängst das Institut für Demoskopie in Allensbach veröffentlichte. [...] Gerold Becker, Sprecher der Vereinigung Deutscher Landerziehungsheime, sieht das Hauptproblem für die Internate in einem veränderten Bewusstsein von Eltern und Familien, wie es auch die Allensbach-Studie andeutet. "Früher war es in einigermaßen gutsituierten Familien selbstverständlich, dass die Kinder ein Internat besuchten", sagt Becker. Heute, so Becker, sei für viele Familien ein Internat tatsächlich nur eine Notlösung - bei Zeitmangel der Eltern, schulischen oder familiären Problemen. [...] Wirtschaftliche Schwierigkeiten oder gar Konkurse verdeutlichen, dass auch die Internate selber oftmals ihre Leistungsgrenze erreicht oder überschritten haben. Als 'Anbieter' auf einem pädagogischen 'Markt' geraten sie schnell in einen ökonomischen Teufelskreis. Wenn Plätze nicht belegt sind und damit Einnahmen ausbleiben, müssen sie beim Angebot - beispielsweise internatseigene Reitpferde, Segelboote, Schwimmbäder und eine oftmals große Zahl an Pädagogen für eine optimale Schülerbetreuung - sparen. Das wiederum mindert Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit.<
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung stellt in ihrer Ausgabe vom 31. Dezember 1993 fest:
> Doch so heil, wie in den Hochglanzprospekten geschildert, scheint die Welt der Landerziehungsheime nicht zu sein. Die Zahl der 'Problemfälle' unter den Kindern werde immer größer, die Schwierigkeiten mit Gewalt und Drogen in den Internaten seien genauso massiv wie im öffentlichen Schulsystem, und eine wachsende Zahl der Nobel-Adressen unter den deutschen Privat-schulen sei praktisch unregierbar geworden, erzählen ehemalige Lehrer. Kaum eine Schule kann sich ihre Schüler noch aussuchen. Manche lassen sich bis zu 40 Prozent ihrer 'Kunden' von den Jugendämtern vermitteln; die Jugendhilfe übernimmt die Finanzierung für den Internatsplatz dieser schwer erziehbaren Kinder. <
Selbst noch zu Anfang des neuen Jahrtausends wird auf erhebliche Missstände in den Landerziehungsheimen und anderen Internaten hingewiesen. Aus einer "Produktbewertung" des kommerziellen Verbraucherportals http://www.dooyoo.de, geschrieben am 23.04.2002 über das Landerziehungsheim "Urspringschule Schelklingen", das übrigens wenige Jahre später unter der BILD-Schlagzeile "Mord im Eliteinternat" zu noch traurigerer Berühmtheit gelangen wird:
>Die Lehrer mit ihren individuellen Methoden wechslen häufig. Die Urspringschule bleibt eine schlechte Schule. [...] Die Noten sind oft besser als in der Heimatschule. Das gilt aber nicht für die schulischen Leistungen. Ein großer Teil der Mitschüler ist ständig versetzungsgefährdet. Im Notfall werden auch mal die Zeugnisnoten zum Guten 'berichtigt'. Paragra- fenversetzungen gibt es jedes Jahr bis zur Schmerzgrenze. Ehemalige Lehrer beschweren sich schon beim Oberschulamt in Tübingen. Bei den ABI-Prüfungen fallen ca. 10% der Schüler durch. Das Klima? Wenn die externen Abi-Prüfer aufs Gelände kommen, werden alle anderen Schüler zum Ausflug geschickt, damit bloß keiner den Abi-Prüfern frech kommt. Das könnte die Prüfer ungnädig stimmen. Schlägereien gibt es noch, aber Angriffe auf Lehrer sind seltener geworden, seit der neue Heimleiter Hr. W. die Jugendhilfeeinrichtung bewacht und führt.<
In der NDR-Sendung "Das Forum" vom 15.08.2002 heißt es unter dem Titel: "Internate – Alternative oder Auslaufmodell?" (Feature von Susanne Merkle und Hans Rubinich):
> Die Schüler, die sich hier zum Mittagessen in der Kantine des Salem International College treffen, unterscheiden sich nicht unbedingt von ihren Altersgenossen in staatlichen Schulen. Auch hier beklagt man mangelnde Ausdauer der Schüler, die häufig aber der Schule angelastet wird... was dazu führt, dass viele Kinder mittlerweile nicht mehr nur ein Internat in ihrem Leben besuchen, beklagt Lehrer Christoph Laumont.
„Es ist doch auffällig, dass doch - glaube ich - heutzutage, als Reflex auf die soziale Mobilität, aber auch als Widerspiegelung von inneren Veränderungen, die Verweildauer in Internaten kürzer ist. Schüler kommen und gehen. Es kommt auch vor, dass Schüler sagen: das ist der falsche Ort, oder ich komme hier nicht rein. Oder dass man auch sagen muss: wir müssen uns trennen, der passt nicht rein, das ist auch in Klasse 12 nicht zu leisten, erzieherisch. Oder wir können das medizinisch nicht leisten im Falle einer Sucht. Am schlimmsten ist Magersucht, es kommt vor, dass man magersüchtige Mädchen weg- schicken muss, weil wir halt kein Sanatorium sind, keine Heilanstalt. Ich denke das hat sich leider doch gesteigert, aber auch da sind Internate keine Inseln.“ <
Noch am 7. Januar 2004 wirbt das Landerziehungsheim "Steinmühle" bei Marburg in einem Bericht der "Hessischen/ Niedersächsischen Allgemeinen" unter dem Titel "Internat bietet Hilfe bei angeknackster Schulkarriere" ungeniert um die ProblemschülerInnen, die aufgrund des "Imagewandels" der letzten zwanzig bis dreißig Jahre eigentlich doch gar nicht mehr die richtige Zielgruppe gewesen sein müssten:
>Für Internatsleiter Jörg Kettner sind die vermeintlichen Problemfälle oft besonders interessant. Schließlich hätten viele - schlechte - Schüler ungewöhnliche Talente... [...] Eigentlich sind die Lehrer und Erzieher in dem Internat an der Lahn sogar strenger als viele Eltern, räumen die Schüler ein, die jedes zweite Wochenende nach Hause fahren. Doch die Regeln des Heims seien klarer, fairer und wechselten nicht nach Laune und Stimmung. So kommen Schüler, die Alkohol auf das Heimgelände bringen, grundsätzlich vor die Schulkonferenz. [...] Bei manchen Dingen - etwa beim Fernseh-konsum - gibt es von vornherein weniger Probleme. Offenbar ist das Freizeitangebot so umfangreich, dass das Fernsehprogramm nicht mithalten kann. Die Jugendlichen können nicht nur an der Lahn baden gehen und rudern. Um alle Talente der Jungen und Mädchen zu entwickeln, gibt es Kurse für Töpfern, Fotografie, Kochen, Garten, Werken, Theater, Musik, Malen und Internet. Sportlich können sich die schüler bei Ballspielen, Tennis, Badminton, Judo, Kendo, Jazz Dance und an der Kletterwand betätigen. Eine eigene Pferdezucht sowie ein Reitstall mit Springgarten und Dressurplatz steht zur Verfügung, von denen einige sogar sogar ein eigenes Pferd mitgebracht haben.<
Da erinnert sich ein ehemaliger "Steinmühle"-Schüler auf der Forum-Seite "Schule ohne Drogen" am 02. September 2006 allerdings irgendwie anders:
>Lol, ich war bis vor kurzem auf einer absoluten Drogenschule. Ich weiß ja nicht ob ihr schon mal was von einer "Steinmühle" gehört habt, auf jeden Fall war das vor ein paar Jahren noch eine Schule, wo sogar Heroin gedealt wurde und in ganz Mittelhessen dafür bekannt war.
Die Schule ist gleichzeitig ein Internat, wo die krankeste Scheiße abläuft / ablief... ich war bis vor kurzem noch ein externer Schüler, d.h. nicht auf diesem Internat, aber auf der Schule, die dranhängt. Was ich da als [= alles; Anm. d. Verf.] von meinen Internatskollegen mitbekommen habe, war nicht mehr feierlich. Die Begründung war bei den Leuten immer, dass das Internat ja so langweilig sei und man dementsprechend ja gar nicht drum rum kommen könnte sich mit Chemie und anderen Drogen wegzuschießen. Naja, bei dieser Schule hat mich nichts mehr gewundert... das ist ne Privatschule wo fast nur durchgeknallte Freaks und mega Bonzen vertreten sind. Diese Schule kam mir jeden Tag vor wie ein Irrenhaus. Ich bin so froh, dass ich mich dort abgemeldet habe und bald mein Fernstudium beginne.<
Quelle: http://forum.alraune.org/archive/index.php/t-4966.html
Zur Illustration der jüngsten Entwicklungen in den angeblich während der letzten Jahrzehnte so deutlich gewandelten Internate noch einige weitere aktuelle Beispiele:
"Salem zieht die Zügel an!" verkündete vollmundig ein (Hof-)Bericht der "Welt am Sonntag " vom 6. November 2005, um darzulegen, wie forsch die neue Leiterin (die übrigens nach nur einem Jahr das Handtuch warf) plötzlich gegen Drogenkonsum und nächtliches Entweichen der SchülerInnen in die umliegenden Diskotheken einschreite, weil man sich härteres Durchgreifen vor dem Hintergrund steigender Schülernachfrage jetzt "leisten" könne. Der unvoreingenommene Leser jedoch dürfte sich ungläubig die Augen reiben angesichts dessen, was offensichtlich in der "Edel-Erziehungsanstalt" Salem bis dahin gang und gäbe war.
Auch nachfolgende Zuschrift eines Alt-Salemers an die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ ("Unser Lehrer Dr. Bueb", 28.09.2006) ist nicht gerade geeignet, die These von der heilen Welt der Eliteinternate nach dem großen "Imagewandel" zu stützen:
>Ich war ziemlich renitent und musste unbedingt von zu Hause weg. Herrn Bueb habe ich die meiste Zeit aus der Ferne erlebt; er war eine graue Eminenz. Nur als ich zum Schulsprecher gewählt wurde, hatten wir ein Problem miteinander. Jemand wie ich könne nicht Schulsprecher werden, sagte er, mit meinen andauernden Regelverstößen sei ich kein Vor- bild. Ich habe damals heimlich geraucht, häufig die Schule geschwänzt, das Schulgelände nachts verlassen, Schulbusse »ausgeliehen«. Obwohl eine große Mehrheit der Schüler mich wählte, habe ich dann das Amt nicht angenommen – eine »diplomatische Lösung«. Im Nachhinein fand ich sein Vorgehen richtig. Wenn ich Kinder hätte, würde ich sie momentan nicht nach Salem schicken. Nicht etwa wegen Herrn Bueb, im Gegenteil. Seit er weg ist, geht es in der Leitung drunter und drüber, die Schule hat andauernd schlechte Presse [...]. Von Philipp Gaschütz, 27, Geschäftsführer einer IT-Firma, Abitur 2000<
Der Erfahrungsbericht eines Internatsschülers aus dem Internet-Chat "Die besten Internate", geschrieben am 12. Juni 2007, fällt ein geradezu vernichtendes Urteil:
>Wenn ich höre, was für Drogen z.B. in Salem rumgehen (nach einer Bekannten) und was dort wohl für "Penner" (sorry an die, die drauf gehen) draufgehen, die viel Geld haben, aber mehr auch nicht... Ich habe noch nie etwas positives über Salem gehört und das wäre ganz sicher die letzte Schule wo ich mein kind hinschicken würde. Ich besuche zur zeit auch ein internat und glaubt mir, das war die schlechteste entscheidung, die ich getroffen habe! Es ist einfach nur sauteuer und die meisten die hier draufgehen, haben kaum etwas drauf. Viele hier hatten nach der 4. ne Empfehlung für die Haupt, aber weil die Eltern viel Geld haben, können sie sich jetzt ganz stolz Gymnasiast nennen. Ihr ABi kriegen sie ja sowieso, egal wie die Noten sind... Sorry an alle Internatler, aber das ist mein Eindruck den ich von Internaten und Privatschulen bekommen habe... und ich bin froh zu wissen, dass ich meine Kinder niemals auf eine Privatschule schicken werde!<
Auffangbecken für Schwererziehbare, Schulversager, dumme Kinder reicher Leute... Genau dieses "Vorurteil" findet sich bis in die jüngste Gegenwart immer wieder bestätigt. Der behauptete große Imagewandel der Internate - dies lässt sich aufgrund der Fülle gleichlautender Quellen vermuten, hat offensichtlich zu keiner Zeit stattgefunden!
Wird hier die Öffentlichkeit seit Jahrzehnten gezielt desinformiert? Stärkstes Indiz für diese Annahme: Schon in den 1970er und 1980er Jahren, also zu einem Zeitpunkt, als die vermeintlichen Vorurteile gegen Internate noch zutreffend gewesen sein sollen, folgten Presseberichte dem gleichen Muster: Ja, früher seien Internate wohl einmal die letzte Rettung für Problemkinder und Notenpressen für die dummen Kinder reicher Leute gewesen, aber inzwischen sei diese Meinung längst überholt!
Beispiele:
Im Januarheft 1982 der Zeitschrift "CAPITAL" war zu lesen:
>Die Kombination von Schule und Internat ist zur Bildungsalternative geworden und bietet weit mehr als bloße Fürsorge für schwache oder zu Hause unversorgte Schüler.<
Das ZEITmagazin vom 3. September 1982 fantasiert:
>Wer sein Kind ins Internat schickt, riskiert noch immer die erschrockene Frage: Ist was faul in der Familie? Stimmt was nicht mit Sprößlings IQ? Dabei sind die deutschen Internate längst besser und gefragter, als ihr alter Ruf vermuten lässt.<
Nur der Vollständigkeit halber: Was dann entgegen aller euphorischen Prognosen auf den herbeigeredeten Nachfrageboom folgte, war in Wirklichkeit ein dramatischer Einbruch der Schülernachfrage bis Anfang der 90er Jahre. So berichtet die WamS 1992:
>Noch vor zehn Jahren lebten und lernten annähernd 50.000 Schüler in über 400 deutschen Internaten. Heute existieren nur noch rund 250 Internate mit knapp 30.000 Plätzen, die aber längst nicht alle belegt sind.<
Wie ist eine solche Desinformationskampagne über Jahrzehnte eigentlich zu erklären? Gibt es überhaupt noch eine kritische und wahrheitsgemäße Berichterstattung über Internate in den Medien? Die Antwort lautet leider: Nein!
Die Gründe hierfür sind relativ banal:
- Es geht - wen wundert's - vor allem ums Geld. Internate mögen noch so gemeinnützig und "idealistisch" daher kommen: sie sind im Grunde Wirtschaftsbetriebe, die sich gegen Mitbewerber oder sonstige Konkurrenz (z.B. die sich ausbreitenden Ganztagsschulen) behaupten müssen. Dies zwingt zu "Werbung", zu ständiger Präsenz in den Medien. Letztere sollen einerseits wahrheitsgemäß und kritisch berichten, dürfen aber andererseits ihre Anzeigenkunden und Sponsoren nicht verprellen.
- Die Tatsache, dass die Internate immer schlechter geworden sind und die "Mundpropaganda" zufriedener Eltern infolgedessen als wichtigstes Mittel zur Kunden-gewinnung ausgefallen ist, hat eine wachsende Zahl sog. "Internatsberater" (in Wirklichkeit gewerbsmäßige Internatsvermittler) auf den Plan gerufen. Damit diese sich an den branchenüblich horrenden Vermittlungsprovisionen be-reichern können, muss die Nachfrage künstlich angeheizt werden. Eine "Ware" mit schlechtem Image verkauft sich schlecht. Daher ist jedes Mittel recht, um die öffentliche Meinung durch "gute Nachrichten" zu manipulieren.
- "Reklame" (Zeitungsanzeigen, Werbespots) ist sehr teuer und gerade im Bereich gehobener Dienstleistungen oft wenig wirksam. Deshalb greift man gern zum Mittel der Schleichwerbung oder lanciert PR-Beiträge, d.h. als "objektive Information" getarntes Ei-genlob der Anbieter, das über Agenturen oder sonstige Mittels-männer und Kontaktpersonen in das redaktionelle Programm eingeschleust wird. Nur selten ist dies so plump und offensichtlich wie im Fall der Doku-Soap des Senders "arte" über die Schule Schloss Salem. Die Berliner Zeitung schrieb: "Egal ob schlau oder reich - nach ihrem Abi bilden die "Salemer" ein Netzwerk, das sich gegenseitig in die guten Positionen hievt. Seilschaften halfen sogar dem Film: Autor Klaus Bueb, der Bruder des Schulleiters Bernhard Bueb, öffnete dem Team die Tore für die langen Dreharbeiten" (Berliner Zeitung vom 07.02.2005).
Wie in der gesamten Gesellschaft hat sich auch im Medienbereich die Korruption ausgebreitet; dies insbesondere seit der Privati-sierung eines erheblichen Teils von Hörfunk und Fernsehen.
Durch ausuferndes Profitstreben auch im Medienbereich wird der unabhängige und kritische Journalismus immer mehr zurückgedrängt. Personaleinsparungen in den Redaktionen führen zu erheblichem Zeitdruck. Damit wächst die Versuchung, bereits vorbereitete Beiträge von "freien Journalisten" oder PR-Agenturen zu übernehmen. Gegenrecherchen unterbleiben. Kritische Beiträge, die juristisch Ärger machen könnten, werden häufig von vornherein unterdrückt (siehe hierzu auch unsere Info-Seite: "Internate in den Medien").
Programme und sogar Nachrichten müssen "verkauft" werden. Deshalb bedienen die Medien bestimmte Klischees, wie sie z.B. mit dem vermeintlichen "Elite-Internat" Schloss Salem verbunden sind. Dem Leser, Hörer oder Zuschauer werden Themen so präsentiert, dass sie seinem Bedürfnis nach "modernen Märchen" entsprechen. Ganz besonders anfällig für Märchenhaftes sind übrigens gerade sog. "Internatseltern", deren Idealbild von Internaten die Kultur-psychologen Michael Ley und Herbert Fitzek anhand des Grimmschen Märchens vom Schneewittchen sehr treffsicher analysiert haben.
Privatschulen und Internate sind bislang nur wenig erforscht. Der Mangel an objektiven Informationen leistet der Legendenbildung Vorschub.
Die Erwartungshaltung gegenüber Internaten ist bei sogenannten "Internatseltern" und den zukünftigen InternatsschülerInnen selbst alles andere als "vernünftig" (siehe Ley/Fitzek). Eine irrational handelnde Kundschaft fällt besonders leicht auf offenkundigen Unsinn herein.
Die traditionelle Internatskundschaft ist einerseits besonders sta-tusbewusst, muss andererseits aber auch Minderwertigkeits-kom-plexe und Schuldgefühle (z.B. wegen des Gefühls, erzieherisch oder schulisch gescheitert bzw. überfordert zu sein) kompensieren. Daher werden alle Aussagen über Internate begierig aufgegriffen, die deren „Image“ verbessern und sich als sog. "Tarnmotive" eignen. Schließlich macht es sich viel besser, als "anspruchsvoll" zu gelten und „mit dem öffentlichen Schulsystem nicht zufrieden" zu sein, die "bessere Alternative" zu suchen usw., als einräumen zu müssen, dass familiäre Probleme und Schulschwierigkeiten dazu gezwungen haben, die Hilfe eines Internats in Anspruch nehmen zu müssen.
Dass genau dies - im Gegensatz zu dem Geschwätz vom Imagewandel - noch immer in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle das Hauptmotiv für den Wechsel ins Internat darstellt, weisen Michael Ley und Herbert Fitzek in ihrer bereits genannten Untersuchung „Alltag im Wunschformat - Über Internatserziehung im Blick der Eltern" aus dem Jahr 2003 nach:
>So berichten unsere Interviewpartner durchgängig von einem nervenaufreibenden Kleinkrieg, der sich vor allem an den banalen Aufgaben des Alltags entzündet: Scheinbar einfache Handlungen wie Aufstehen, Aufräumen, Hausaufgaben-Machen lassen sich nur mit viel Geschrei, mit wechselseitigen Drohungen und Erpressungen durchsetzen. Nicht selten werden gewalttätige Handgemenge er-wähnt, die bei den Beteiligten körperliche Verletzungen zur Folge haben. Gewalttätiges findet sich auch im sozialen Umgang außerhalb der Familien: Gewalt in Schulen, Schlägereien, Einbrüche und Diebstähle. Gleichzeitig stellen wir fest, dass sich frühkindliche Symptombildungen verschärfen: Versinken in unentschiedenen und vorgestaltlichen Zuständen, Drogen und Süchte tauchen als Problem auf, unter Mädchen ist Magersucht weit verbreitet. Schließlich lassen sich hilflose und scheinbar überzogene Versuche beobachten, den symbiotischen Familienverhältnissen zu entfliehen: Weglaufen, Herumstreunen, Selbstmorddrohungen. Auffällig ist dabei sowohl die Kompromisslosigkeit, mit der die Abgrenzungen zur eigenen Familie jeweils vorgenommen werden, als auch das tragische Scheitern dieser Versuche: Wenn man weggeht und auf eigenen Füssen stehen will, ist man nichts mehr, dann bricht alles zusammen, dann muss man sterben. Sowohl von den Eltern als auch von den Kindern wird dieser Zustand als äußerst bedrohlich erlebt. Beide Seiten befürchten nicht nur, sie könnten in den gewaltsamen Auseinandersetzungen auch physisch vernichtet werden, sondern sie sehen sich auch in jedem Moment mit dem drohenden Scheitern zentraler Lebensentwürfe konfrontiert. Familie, Beruf, Partnerschaft: Der ganze Alltag scheint mit einem Schlag zu zerbrechen [...]
Die Krisen und Konflikte, die durch die Pubertät zugespitzt werden, bestimmen zugleich die Erwartungen an die Internatserziehung. Es ist eine ausgesprochene Notsituation, in der sich die Familien an die Internate wenden. Sie kommen nicht freiwillig oder weil sie ihren Kindern etwas Gutes tun wollen, sondern weil sie in einer erheblichen Klemme stecken, aus der sie durch eigene Kraft nicht mehr heraus können.<
Sicherlich mag es in der abstiegsbedrohten oder abstiegshysterischen deutschen Mittelschicht auch solche Eltern geben, die - zumindest subjektiv - von der Sorge getrieben werden, der eigene Nachwuchs verpasse wichtige Lebenschancen, wenn er „nur“ eine normale öffentliche Schule ohne "Elite-Image" besuche. Der "unabhängige Internatsberater" Peter Giersiepen schreibt hierzu in der Neuen Züricher Zeitung:
>Seit europäische Schulen durch den internationalen Pisa-Test in Konkurrenz zueinander geraten sind, schwelt unter Eltern das Gefühl, die Bildung ihres Nachwuchses auf keinen Fall dem Zufall überlassen zu dürfen. Als größte Zufälligkeit stellt sich aber naturgemäß just jene Schule dar, auf der sich das eigene Kind gerade befindet - die örtliche Regelschule. Das Ranking unter den Nationen hat sich somit auch auf das Ranking unter den Schulen eines einzelnen Landes oder eines regionalen Bezirkes ausgewirkt. Dass es sich hierbei sehr stark um ein Gefühl handelt und weniger um messbare Kriterien, zeigt, dass Eltern die Kriterien jenes europäischen Ranking-Programms an sich gar nicht bekannt sind. Wie immer jedoch haben Gefühle, wenn sie nicht im Zusammenhang mit Fakten stehen, enorme Auswirkungen. Aus dem Wissen einerseits, dass es erwiesenermaßen etwa in Finnland bessere Schulen gibt als im hiesigen Landesdurchschnitt, gerät die «Schule meines Kindes» in Verdacht, nicht gut genug zu sein. Da aber in vielen europäischen Ländern die örtliche Schule eine öffentliche Schule ist, vollzieht sich vielfach automatisch ein Imageverlust jener Schulen. Dann ist es nicht mehr weit zur pauschalen Lösung, die Alternative zur staatlichen Schule sei die Privatschule. Wer an seinem Wohnort das Angebot mehrerer Schulen vorfindet, könnte sich nun selbst auf den Weg machen, um Vergleiche einzuholen. Da er jedoch auch hierbei ohne anerkannt messbare Kriterien unterwegs ist, verbleibt ihm nur die Möglichkeit, Eindrücke von Dritten, etwa anderen Eltern, auszuwerten. Leider haben sich bereits zu diesem Zeitpunkt viele Eltern unbewusst mehr oder weniger für diese Alternative innerlich schon fest entschlossen. Das lässt sich daran erkennen, dass es vielen Eltern nun fast ausschließlich noch um die Frage geht, wie sie das beste Internat für ihr Kind finden.
Die vielen Internats- Prospekte, die in jener Phase eher willkürlich angefordert werden, suggerieren ihnen denn auch nahezu durchgängig, das Internatsleben sei das ideale Leben für Jugendliche. Darüber hinaus sei der Unterricht im Internat leichter zu bewältigen, da es ein umfangreiches Angebot von Hilfen und Förderungen gebe. Fazit dieser subjektiven Suche: Der Fokus auf ein Internat ist weniger in der individuellen Situation des Kindes begründet als in dem Klischee, das Internat sei die bessere schulische Alternative. Solange es aber keine anerkannten Kriterien zum Vergleich von Schulen gibt, also kein eigentliches Ranking wie bei Hochschulen, sind private Schulen nicht grundsätzlich besser als staatliche. In beiden Schultypen gibt es Ausfallraten, deren Höhe im Übrigen zu den am besten gehüteten Geheimnissen gehört. Auch die Erfolgsquote an der Maturitätsprüfung ist beileibe kein stichhaltiges Kriterium, da es altbekannte Häuser gibt, die durch Vorprüfungen die Erfolgsquote ihrer Schule gezielt vor schlechten Ergebnissen schützen. Die Suche nach einem Internat sollte daher ausschliesslich in der individuellen Situation des Kindes oder der Familie begründet sein, also nicht in dem diffusen Gefühl, 'mehr für das Kind tun zu müssen'.<
Die vielen Internats- Prospekte, die in jener Phase eher willkürlich angefordert werden, suggerieren ihnen denn auch nahezu durchgängig, das Internatsleben sei das ideale Leben für Jugendliche. Darüber hinaus sei der Unterricht im Internat leichter zu bewältigen, da es ein umfangreiches Angebot von Hilfen und Förderungen gebe. Fazit dieser subjektiven Suche: Der Fokus auf ein Internat ist weniger in der individuellen Situation des Kindes begründet als in dem Klischee, das Internat sei die bessere schulische Alternative. Solange es aber keine anerkannten Kriterien zum Vergleich von Schulen gibt, also kein eigentliches Ranking wie bei Hochschulen, sind private Schulen nicht grundsätzlich besser als staatliche. In beiden Schultypen gibt es Ausfallraten, deren Höhe im Übrigen zu den am besten gehüteten Geheimnissen gehört. Auch die Erfolgsquote an der Maturitätsprüfung ist beileibe kein stichhaltiges Kriterium, da es altbekannte Häuser gibt, die durch Vorprüfungen die Erfolgsquote ihrer Schule gezielt vor schlechten Ergebnissen schützen. Die Suche nach einem Internat sollte daher ausschliesslich in der individuellen Situation des Kindes oder der Familie begründet sein, also nicht in dem diffusen Gefühl, 'mehr für das Kind tun zu müssen'.<
(Quelle: Neue Zürcher Zeitung vom 25.04.2006)
Auch hinter dem hier beschriebenen Nachfragemotiv, "mehr für sein Kind tun zu müssen", steht häufig kein elitärer Bildungsanspruch, sondern die Sorge vieler Eltern, dass der eigene - nicht eben brilliante - Nachwuchs bei bestenfalls mittelmäßigen Schulleistungen und wenig ausgeprägtem Leistungswillen im Wettbewerb um die einträglichen Positionen auf dem Arbeitsmarkt schlicht untergehen werde.
Hinzu kommt, dass Lernschwierigkeiten, Verhaltensstörungen, Vergnü-gungssucht und mangelnder schulischer bzw. beruflicher Ehrgeiz mittlerweile zu einem Massenphänomen geworden sind und quasi als "Norm" gelten.. Vielen Eltern ist daher gar nicht mehr bewusst, dass ihr Kind genau der Schüler-Kategorie zugehört, die man früher "zur Reparatur" ins Internat schickte.
Dies aber bedeutet: Wenn schulische oder erzieherische Defizite des Kindes als Entscheidungsgründe für einen Internatsaufenthalt gar nicht mehr thematisiert werden und durch honoriger wirkende Nachfragemotive wie "Unzufriedenheit mit der staatlichen Schule" ersetzt werden, führt dies nur zu einem scheinbaren Imagewandel der Internate. Die Schülerqualität ändert sich hierdurch gegenüber früheren Zeiten nämlich nicht.
Eltern beurteilen die Qualität von Schulen nämlich grundsätzlich nach dem Erfolg der eigenen Kinder. So bleiben die Begabten und Talentierten - vielleicht mit Ausnahme einiger Hochbegabter mit besonderem Förderbedarf - zumeist auf den öffentlichen Lehranstalten. Nur die Mädchen und Jungen mit irgendwelchen "Problemen" (Teilleistungsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten, körperlichen und seelischen Handikaps usw.) wechseln auf Privatschulen und Internate.
Rudolf Maresch schrieb am 30.07.2004 auf der Seite "Telepolis" des Heise-Zeitschriftenverlags Hannover:
> Lehrer, die an Gymnasien, Realschulen oder Hauptschulen unterrichten, sagen übereinstimmend, dass sie Aufgaben und Tests, die sie noch vor Jahren ihren Schülern abverlangt haben, heute in ihren Klassen nicht mehr halten können. Der Klassenschnitt würde in Bereiche abdriften, die kein Rektor der Welt absegnen würde. Beispielsweise ist über ein Drittel der versammelten Schülerschaft nicht in der Lage, den Lehr- und Lernzielen, die der jeweilige Schultyp ihrer Kundschaft abverlangt, zu genügen, geschweige denn zu folgen. Viele davon können sich nur mit Nachhilfeunterricht "über Wasser halten". Statt Eignungstests für alle wieder einzuführen und dadurch den Zugang zu den höheren Schulen besser zu steuern, lässt man sie erst dorthin, um nach Jahren dann doch festzustellen, dass sie für diesen Schultyp gänzlich ungeeignet sind. Die Folge ist meist ein blindwütiger und mehrjähriger Schultourismus, der Schüler vom Gymnasium über Internate und private Schulen oder über Realschule und dann doch vielleicht wieder Fachoberschule wieder zurück in die Hauptschule führt. Viele Eltern stoßen sich daran aber nicht. Selbstverständlich nehmen sie immer die höchsten Hürden für ihre Sprösslinge in Angriff, ob sie intellektuell dafür geeignet sind oder nicht. <
Das Nachrichtenmagazin „FOCUS“ zitiert den Hamburger Erziehungs-wissenschaftler Peter Struck mit der alarmierenden Feststellung:
„Wir meinen, dass 60% der Kinder nicht hinlänglich erzogen in die Schule kommen.“ Die Pädagogen würden zermürbt von unerträglicher Respektlosigkeit und erschreckendem Desinteresse. Nur wenige Mütter und Väter seien fähig zu einer konstruktiven Mitarbeit. Sie nähmen ihre Kinder pauschal in Schutz, weil sie „Erziehen mit Verschonen“ verwechselten. Kindern und Jugendlichen müsse aber vermittelt werden, dass Lernen nicht nur Lust bereite, sondern auch anstrengend sei. (Vgl. „Focus“ vom 09. April 2001, S. 66 ff.).
Die durch die PISA-Studie offengelegte "neue deutsche Bildungs-katastrophe" entpuppe sich bei näherem Hinsehen auch als Erziehungs-katastrophe, schreibt das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" (13.05.2002, S. 104). Bildungspolitiker hätten die "Wucht des Wertewandels" unterschätzt, den die "Kulturrevolte von 1968" hinterlassen habe. Nun müssten Disziplin und Selbstdisziplin sowie die berühmten "Sekundär-tugenden" Pünktlichkeit, Ordnung und Fleiß als "Schlüsselqualifikationen" bzw. "leistungssteigernde Faktoren" mühsam wieder zur Geltung gebracht werden, bestünde doch der Unterricht "oft zu 80% aus nichts anderem als dem vergeblichen Versuch des Lehrers, für Ruhe zu sorgen".
Was erwartet Schüler und Eltern im "imagegewandelten" Internat?
Wer auf die Lügenpropaganda vom "Imagewandel" der Internate hereinfällt und ein tatsächlich wohlgeratenes Kind in eines dieser Institute schickt, um ihm vermeintlich bessere Lebenschancen zu sichern, dürfte ähnliches erleben wie diese verzweifelte Internatsschülerin:
>Hallo, Ich besuche zur Zeit ein Internat, wo es mir allerdings überhaupt nicht gefällt. Bin dort jetzt seit fast einem Jahr, weil meine Eltern den ganzen Tag gearbeitet haben und ihnen hat es nicht gefallen, dass ich so oft alleine war. Und ich war geschockt in was für einem zustand der größte Teil der Schüler war. Jedenfalls habe ich mit meinen Eltern geredet, dass ich da wegmöchte, da ich mit dem desinteresse, dem Alkohol- und Drogenkonsum der Schüler nicht zurechtkomme.
Gibt es auch Internate für Nicht-schwererziehbare, die sich in der Schule anstrengen und GUTE Noten haben möchten? Es kann doch nicht sein, dass man an jedem Internat als Streber bezeichnet wird, nur weil man Hausaufgaben macht und die Erzieher es nicht auf die Reihe bekommen, dass ein paar ganz wenige Einzelfälle nicht die große Ausnahme sind. Gibt es solche Internate auch für Menschen die nicht hochbegabt sind, aber dennoch nicht blöd und etwas lernen möchten. Ich interessiere mich z.B. sehr für Naturwissenschaften, aber die einzigen natur-wissenschaftlichen Internate die ich gefunden habe, waren für hochbegabte, also nichts für mich. Kann mir irgendjemand helfen? Könnt die Antwort hier her schreiben, aber ich freue mich auch sehr über Mails! Vanni
Quelle: www.leserberichte.de
Herausgeber: jörg stengel medien gmbh copyright 2007
Herausgeber: jörg stengel medien gmbh copyright 2007
Das Schlimmste ist, dass die Internate oft nicht einmal denen helfen können, die laut immer noch bestehendem und - wie wir gesehen haben - auch berechtigtem Vorurteil eigentlich dorthin gehören. Wie ist das zu erklären?
Offensichtlich sind die Schwierigkeiten ihrer jugendlichen Kundschaft den deutschen Internatsschulen und Schülerheimen längst über den Kopf gewachsen. Mag man sich auch noch so „elitär“ gebärden und noch so vornehm tun… Dies ändert nichts an der Tatsache, dass die Aufgabenstellung der Internate sich zunehmend derjenigen der „Heimer-ziehung“ (Kinder und Jugendhilfe) angleicht. In den "Heimen" hat allerdings schon vor fast einem halben Jahrhundert eine grundlegende Strukturreform stattgefunden. Nur noch wenige Kinder und Jugendliche werden heute in zumeist sehr kleinen bzw. in kleinste Wohneinheiten aufgegliederten Einrichtungen jeweils von einem ganzen Team von Gruppenerziehern und zusätzlichen therapeutischen Fachkräften durch den Alltag begleitet. Die Internate bieten demgegenüber nur ein "pädagogisches Existenzminimum". Zwar gab es auch hier Verbesserungen, doch reichen diese noch längst nicht aus. Kein Wunder: Ein Heimplatz ist heute doppelt so teuer wie ein Platz in einem der teuersten Internate. Für grundlegende Reformen fehlt schlicht das Geld. Ein Internatsplatz kostet den Träger im Durchschnitt 1500 Euro monatlich. Aber nur ein geringer Teil der privat zahlenden Eltern könnte sich einen kostendeckenden Pensionssatz leisten. Also müssen die Internatsgebühren subventioniert werden. Der Staat und die großen Kirchen können sich dies erlauben, private Träger ohne kapitalkräftige Unterstützung dagegen nicht. Die teuersten Internate sind also keineswegs leistungsfähiger als die preiswertere Konkurrenz. Ein hoher Pensionssatz bedeutet nur, dass ein Großteil der Kosten direkt auf die Elternbeiträge umgelegt werden muss. Dies führt zu einer Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern, die nicht verfassungskonform ist.
Merkwürdigerweise werden teure Internate gern von Jugendämtern belegt, da sie nur halb so viel kosten wie ein "Heim". Dies belastet die Internate zusätzlich mit Problemfällen und führt zunehmend zu erheblichen Konflikten innerhalb der Schülerschaft: Die zunehmend statusorientierten Kinder betuchter Selbstzahler stehen einer Gruppe sozial unterprivile-gierter "Jugendamtskinder" gegenüber, die sie oftmals zutiefst verachten.
Vielen jungen Menschen, die den Internaten anvertraut werden, ist mit einem strukturierten Arbeitstag, kleineren Klassen und täglicher Hausauf-gabenbetreuung nicht wirklich zu helfen. Was ihnen an Intelligenz, Leistungsmotivation oder Selbstdisziplin fehlt, kann auch das beste Internat nicht ersetzen. Und immer häufiger stehen die Internatserzieher hilf- und fassungslos vor den traurigen Opfern von Wohlstandsverwahrlosung und Erziehungskrise.
Noch einmal Rudolf Maresch:
>Die Gründe für diese hohe Abbrecherquote trotz ständiger Niveausenkung sind vielfältig. Sie sind ein Problem und Phänomen "satter Gesellschaften" und dürften daher in allen OECD-Staaten ziemlich ähnlich gelagert sein. Neben genetisch bedingten, intellektuell limitierten Fähigkeiten und Fertigkeiten beim Nachwuchs, der aber wider besseren Wissens an die höheren Schulen drängt, sorgen vor allem Schweine-TV und Mode-Schnickschnack, zerrüttete Familienverhältnisse und neue Freizeit- und Eventkultur, Zuzug von Migranten mit mangelnden Sprachkenntnissen und der Clash of Civilization dafür, dass eine Vielzahl von Kindern und Jugendlichen zu "mönchischen Lebensformen" mit Freizeitausgleich, wie sie etwa private Internatsschulen anbieten und womit beispielsweise die gymnasiale Stufe nach wie vor kalkuliert, kaum noch fähig sind. Für sie bilden Spaß und Konsum, Sex und Mode den Mittelpunkt ihres Lebens.<
Ausblick: Die Zukunft der Internate
Statt des behaupteten "Imagewandels" der Internate in Richtung auf "gute Alternativen" zum öffentlichen Bildungssystem oder gar "elitäre" Bildungsstätten dürfte sich die Annäherung der Internate an Einrichtungen der Jugendhilfe fortsetzen. Noch immer wächst die Erziehungsunfähigkeit in deutschen Elternhäusern, bieten in Auflösung begriffene Familien immer weniger Struktur, steigt der Druck durch Arbeitsverdichtung gerade bei doppeltberufstätigen oder allein erziehenden Eltern(teilen). Ein Heer von (in der Regel schon mehrfach) gehandicapten SchülerInnen marschiert auf die Internate zu. So stehen 30.000 Internatsplätzen z.B. über 600.000 ADS- und ADHS-Kinder gegenüber, dazu Hunderttausende Teilleistungsgestörte, Essgestörte, soziale Autisten, Schulängstliche, aggressiv Verhaltens-gestörte, Autoaggressive usw., usw. Die Umstellung auf das 8-jährige Gymnasium wird zu weiteren Ausgrenzungen leistungsschwächerer oder seelisch nicht ausreichend belastbarer Kinder und Jugendlicher führen.
Gleichzeitig erhalten die Internate Konkurrenz durch Ganztagsschulen, die ihnen die pflegeleichteren Fälle abjagen. Weiterer Geburtenrückgang und die schleichende Verarmung der Mittelschicht (besonders drastisch bei Ärzten und Rechtsanwälten) gehen zu Lasten der Nachfrage und mindern erfahrungsgemäß die Schülerqualität, weil die Internate sich ihre Bewerber immer weniger aussuchen können und ungeeignete Kinder und Jugendliche aus wirtschaftlichen Gründen nach Möglichkeit gehalten werden müssen.
Auf einem leergefegten Lehrerarbeitsmarkt wird es zudem immer schwie-riger werden, noch ausreichend qualifizierte Fachkräfte zu finden, die bereit sind, an privaten Internatsschulen anzuheuern, die oftmals weniger soziale Sicherheit und schlechtere Bezahlung bieten als öffentliche Schulen, im "Ausgleich" dafür aber ungünstigere Arbeitszeiten und anstrengendere Arbeitsbedingungen durch zusätzliche Betreuungsaufgaben und einen größeren Anteil schwieriger Schüler.
Ein neuer großer Run auf die Internate wird trotz der dramatischen Zunahme der Zahl schwieriger SchülerInnen vermutlich ausbleiben - schon aus Kostengründen. Da hilft nicht einmal der Glaube an den "Mythos Internat". Wer rational denkt, wird den berühmten Hoffnungsschimmer am Horizont kaum erblicken.
Nur ganz wenigen Einrichtungen dürfte es - abgekoppelt vom allgemeinen Trend - gelingen, sich sozusagen als "Premium-Internate" für besonders Befähigte (Hochbegabte, musische oder sportliche Spitzentalente usw.) zu etablieren. Zu diesen "Besten" werden wohl nur staatlich hoch subventionierte "Leuchtturm-Projekte" oder durch private Sponsorengelder mischfinanzierte PPP (=Public-Private-Partnership)-Projekte gehören. Denn diese sind weder auf betuchte Privatzahler noch auf Jugendämter angewiesen. Dank geringer Kostensätze stehen sie allen offen, die den jeweils bestehenden strengen Auswahlkriterien gerecht werden.
Vielleicht wird sich in sogenannten "Marktnischen" auch noch das eine oder andere kleine Modellprojekt gegen den allgemeinen Abwärtstrend behaupten können. Hier bürgt die stark reduzierte Zahl der Beleg-plätze trotz höherer Preise für eine bessere Auswahl der Bewerber, die zwar keine Elite-Schüler sein können, aber zumindest nicht allzu sehr von dem abweichen, was man früher als "normal" bezeichnet hätte. Hier fänden dann auch Durchschnittsschüler ein positives soziales Umfeld, das größere Internate längst nicht mehr bieten.
Wer der obigen Einschätzung nicht glauben will, lese einmal die nachfolgende Einladung des Bundesverbandes der evangelischen Internate in Deutschland (EID) zu einer Fortbildungsveranstaltung für Internatserzieher im Frühjahr 2008:
"7. EID-Fortbildungstagung für Erzieherinnen und Erzieher
Thema: „Professioneller Umgang mit auffälligen Schülern“
Zeit: Montag, 21. April bis Mittwoch, 23. April 2008
Inhalt: Auffällige Schüler begegnen uns im Internat, aber auch als externe Schüler in unseren Schulen zunehmend häufiger. Die Tendenz zu auffälligen Handlungen Jugendlicher wird aus Expertensicht zunehmen. Während Jungen auffälliges Verhalten eher auf der Grundlage von AD(H)S zeigen, tendieren Mädchen mehr zu selbstverletzendem Verhalten. Ist selbstverletzendes Verhalten als Bestandteil psychi-scher Störungen im Jugendalter zu sehen? Die Hintergründe sowie der verantwortliche Umgang in Internaten mit beiden Auffälligkeiten soll in der Fortbildung vermittelt werden.“
Wer sich objektiv informiert, weiß genau, wo die Reise hingeht. Aber ganz sicher wird uns die veröffentlichte Meinung schon in wenigen Jahren erneut mit der guten Nachricht von einem „Imagewandel“ überraschen: Frühere Vorurteile seien nun endgültig überholt. J E T Z T seien Internate eine ganz tolle Alternative zum staatlichen Bildungssystem. Denn...
Ulrich Lange